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16.03.2023
Lassen sich Gorilla, Panda und Co. tiergerecht halten? Exkursion der Verhaltensbiologie in zwei moderne europäische Zoos
Moderne Tierhaltungskonzepte standen im Fokus einer dreitägigen Exkursion, die im Wintersemester 2022/23 erstmals von der Arbeitsgruppe Verhaltensbiologie angeboten wurde. Unter der Leitung von Dr. Oliver Ambrée, Prof. Dr. Chadi Touma und apl. Prof. Dr. Michael Böer besuchten die 14 teilnehmenden Studierenden gleich zwei zoologische Gärten – einen in den Niederlanden und einen in Belgien.
Ziel der Exkursion war es, moderne Tierhaltungskonzepte unter den Gesichtspunkten Artenschutz, Wohlergehen und Edukation näher zu beleuchten. Im Rahmen der Vorbereitung fand zunächst ein Seminar statt, in dem Referate zu unterschiedlichen Themen gehalten und diskutiert wurden, darunter „Ethische Kontroversen in der Zootierhaltung“, „Artenschutz in zoologischen Gärten“, „Beurteilung des tierischen Wohlergehens“, „Environmental Enrichment in der Zootierhaltung“ sowie „Forschung und Edukation in zoologischen Gärten“. Anfang Oktober war die Gruppe dann für drei Tage unterwegs und besuchte den Gaiazoo in Kerkrade sowie den Pairi Daiza Zoo in Brugelette, welcher bereits mehrfach als bester Zoo Europas ausgezeichnet wurde.
Der folgende Bericht einer Teilnehmerin vermittelt einen Eindruck von den wertvollen Einblicken, die sich der Gruppe während der Exkursion boten:
„Während des ca. fünfstündigen Aufenthalts im Gaiazoo in Kerkrade haben wir einen Rundgang unternommen, in dessen Kontext sowohl die Bedingungen der Tierhaltung und der Aufbau der Tiergehege als auch verhaltensbiologische Aspekte untersucht wurden. Während dieses Rundgangs haben wir Studierenden Artsteckbriefe über gefährdete Arten in Kurzpräsentationen vorgestellt. Der Gaiazoo zeichnete sich unter anderem durch immersive Landschaftsgestaltung aus, bei der sich Zoobesucher:innen in das natürliche Umfeld der jeweiligen Tiere hineinversetzt fühlen.
Naturnahe Gestaltung des Geheges der Przewalskipferde im Gaiazoo (Foto: Pia Kruckemeyer)
Im Anschluss an den Besuch in Kerkrade reisten wir weiter nach Mons, von wo aus wir an den folgenden beiden Exkursionstagen den Pairi Daiza Zoo besuchten. Am ersten Tag nahmen wir an einer etwa dreistündigen Führung durch ausgewählte Teile des Zoos teil. Während dieser Führung erhielten wir neben vielen Informationen zu tiergerechter Haltung im Zoo, zum Artenschutz und zur Forschung auch die Möglichkeit, Tiere wie Giraffen und Kattas zu füttern sowie eine Königspython in der Hand zu halten. Der Zoo bot den Teilnehmenden diese Gelegenheiten, um über einen emotionalen Zugang zu den Tieren neben dem Fachwissen noch ein anderes Verständnis für Natur- und Artenschutz und deren Relevanz zu erreichen.
Die Studierenden konnten bei der Fütterung der Giraffen auf Tuchfühlung gehen (Foto: Sophie Voort)
Im Anschluss an die Führung wurden weitere Artsteckbriefe mit spannenden Informationen zu verschiedenen Tieren vorgetragen und wir Studierenden hatten etwas Zeit, um den Tierpark in Eigeninitiative zu erkunden. Der zweite Tag in Pairi Daiza war hauptsächlich den Artsteckbriefen und der freien Exkursionszeit gewidmet. Darüber hinaus hatten wir die Chance, dem medizinischen Training der Walrosse beizuwohnen.
Vorstellung eines Artsteckbriefes vor dem beeindruckenden Walrossbecken (Foto: Sina Meermann)
Der Pairi Daiza Zoo zeichnet sich durch eine erlebnisparkähnliche Anlage aus, in der die Besucher:innen sich in unterschiedlichen „Welten“, wie sie dort genannt werden, wiederfinden. Man hat noch mehr als im Gaiazoo den Eindruck, den Tieren in ihrem natürlichen Lebensraum zu begegnen, da nicht nur die Gehege immersiv gestaltet waren, sondern auch das Drumherum: Elemente wie ein chinesischer Garten, ein balinesischer Tempel oder alaskische Blockhütten erweckten den Anschein, man sei vor Ort. Trotz dieser anthropozentrischen Ausrichtung, in der das Erlebnis des Menschen im Vordergrund steht, wird dem Wohlergehen der Tiere ebenfalls intensiv Rechnung getragen. Den Tieren, von denen viele auf der roten Liste bedrohter Tierarten zu finden sind, stehen großzügige, beeindruckende Anlagen mit zahlreichen Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Die weißen Königstiger in ihrem Gehege im Königreich von Ganesha, einer indonesischen Tempellandschaft in Pairi Daiza (Foto: Pia Kruckemeyer)
Insgesamt ermöglichte uns die Exkursion Einblicke in Zootierhaltung auf dem neuesten Stand. Zudem konnten wir viele Tierarten sehen, von denen teilweise nur eine Handvoll in ganz Europa gehalten werden, wie beispielsweise der Tasmanische Teufel (in 5 Zoos europaweit) oder das Pazifische Walross (in 3 Zoos europaweit). Weiterhin lernten wir sehr viel über tiergerechte Haltungsformen und viele interessante verhaltensbiologische und veterinärmedizinische Fakten. Zusätzlich wurden auch Probleme und Kritik an der Tierhaltung diskutiert. Die Exkursion eröffnete eine völlig neue Perspektive auf zoologische Gärten. Es war sehr spannend in einer gelösten Atmosphäre an dem Wissen der Dozierenden teilhaben zu können und durch die Referate der Mitstudierenden sowie die intensiven Diskussionen der Themen zu erfahren, wodurch sich ein guter Zoo auszeichnet und welche Besonderheiten manche Tierarten in der Haltung haben, beispielsweise dass Orang-Utans besonders verspielt sind und ihre Gehege oft mit Reifen, Bällen und Decken ausgestattet sind. Weiterhin erfuhren wir durch welche Maßnahmen sich die zoologischen Gärten am Artenschutz und der Forschung beteiligen und haben so einen ausführlichen Einblick in das weite Feld der Tiergartenbiologie bekommen."
Erlebnisbericht: Francine McCullough