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Eine Fruchtfliege mit zwei Flügeln und eine Fruchtfliege mit vier Flügeln

Eine wildtypische Fruchtfliege mit zwei Flügeln (links) und eine Ubx-Mutante mit vier Flügel (rechts).

15.06.2022

Fliegen mit vier Flügeln – und vier Flügelherzen

Wie viele Flügel hat eigentlich eine Fliege? Ihre Zugehörigkeit zur Ordnung der „Zweiflügler - Diptera“ verrät es – nämlich zwei. Doch es gibt Ausnahmen: Eine Mutation in einem bestimmten Gen kann dazu führen, dass Fliegen ein zusätzliches Flügelpaar ausbilden. Wie sich diese anatomische Besonderheit entwickelt, haben Forschende der Osnabrücker Biologie im Rahmen einer aktuellen Studie untersucht.

Innerhalb der Insekten finden sich Arten ohne Flügel (Felsenspringer), Arten mit zwei Flügeln (z. B. Mücken) und Arten mit vier Flügeln (z. B. Libellen und Schmetterlinge). Fliegen gehören zur zweiten Gruppe, sie sind Dipteren und besitzen normalerweise ein Flügelpaar. Doch bereits in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts hat der Genetiker Edward Lewis Fruchtfliegen untersucht, die ein zusätzliches Flügelpaar besaßen. Er fand heraus, dass diese Tiere eine Mutation im sogenannten Ultrabithorax-Gen (Ubx) trugen. Dieses codiert für einen Transkriptionsfaktor, der eine Schlüsselrolle in der Entwicklung spielt: Er entscheidet während der Embryonalentwicklung über das Schicksal von Zellen – d.h., er bestimmt, welche Gewebe oder Organe später aus ihnen entstehen. Für seine Entdeckungen erhielt Lewis im Jahr 1985 den Nobelpreis.

Gemeinsam mit Markus Tögel aus Oxford und Günther Pass aus Wien hat der Osnabrücker Zoologe Achim Paululat nun untersucht, wie die vier Flügel bei Fruchtfliegen mit besagter Mutation entstehen. Das Team fand heraus, dass auch die inneren Organe doppelt ausgebildet werden. So besitzen die Ubx-Fliegen zwei zusätzliche kleine Flügelherzen, die für den Blutstrom und damit für die fehlerfreie Bildung des zusätzlichen Flügelpaars sorgen. Fliegen können die vierflügeligen Fruchtfliegen allerdings nicht – denn sie sind nicht in der Lage, die Bewegungen der zusätzlichen Flügel zu kontrollieren. Übrigens, das Ubx-Gen gibt es nicht nur bei Fliegen. Die berühmten Katzen von Ernest Hemingway mit ihren 6 Zehen an jeder Pfote trugen eine Ubx-Mutation im Genom. Und auch bei Menschen können Mutationen im Ubx-Gen zu zusätzlichen Fingern, Zehen oder Rippen führen.

Die Forschungsergebnisse des Forschungsteams wurden jüngst in der renommierten Zeitschrift „Genetics“ veröffentlicht: Tögel, M.; Pass, G. & Paululat, A. (2022): Wing hearts in four-winged Ultrabithorax-mutant flies—the role of Hox genes in wing heart specification. Genetics 220.

Kontakt: Prof. Dr. Achim Paululat